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Deaf Forever: Ausgabe 65 (Review)

Artist:

Deaf Forever

Deaf Forever: Ausgabe 65
Album:

Ausgabe 65

Medium: Magazin
Stil:

Metal und Hardrock für Überzeugungstäter

Label: In Dubio Pro Metal
Spieldauer: 148 Seiten
Erschienen: 13.06.2025
Website: [Link]

Auf dem Titelbild der 65. Ausgabe des DEAF FOREVER deutet sich der Generationenwechsel im ruppigen Metal mit flammender Symbolkraft an: Während Sodom (bereits vor einigen Monaten selbst Titelstory) auf einem kleinen Foto auftauchen, wurde die hell lodernde Fackel an Keren Yilmaz von Imha Tarikat weitergereicht, dessen ernstes Antlitz Herausgeber Götz Kühnemund an Selim Lemouchi erinnert. Die junge "Band der Stunde" hat soeben ihr viertes Album mit dem Titel "Confessing Darkness" veröffentlicht und dominiert damit den aktuellen Soundcheck vor den Death huldigenden Gruesome und den Ruhrpott-Thrashern, deren Frontmann sich erneut Zeit für einen Plausch mit Ulf Imwiehe genommen hat. Bei selbigem macht er unmissverständlich klar, dass er Sodom nach Möglichkeit noch ein Weilchen betreiben wird, wenn auch in einem zeitlich geringeren Umfang als zuvor. Keren Yilmaz hingegen muss zunächst Rede und Antwort stehen im Hinblick auf das – nach Ansicht wenigstens eines Teils der DF-Crew – fragwürdige Label, das die Musik von Imha Tarikat veröffentlicht.


Fragwürdig sei auch die von vielen anderen professionell vertriebenen Metal-Magazinen hinlänglich bekannte Praxis, Stories im Heft gegen Anzeigen zu verwirklichen, so Kühnemund im Vorwort. "Wir werden eher das Heft einstellen, als unsere Artikel zu verkaufen oder aus Berechnung mit unserer Meinung hinter dem Berg zu halten", gibt sich der Chefredakteur gewohnt kämpferisch. Welchen aktuellen Anlass es für diese Spitze gegen die vermeintliche Konkurrenz gibt, entzieht sich bislang meiner Kenntnis, doch am Status des DEAF FOREVER sollte es selbst bei seinen Kritikern kaum ernste Zweifel geben. Auch wenn die Wahl einer Band wie Imha Tarikat als Coverstory innerhalb der DF-Crew wahrscheinlich die eine oder andere Frage aufgeworfen haben dürfte, spiegelt es doch den Willen und auch den Mut, dem Metal jenseits des hinlänglich Bekanntem neue und halbwegs spannende (musikalische) Facetten abzugewinnen – selbst wenn das "falsche" Label dahinter- und der Verdacht einer Kontaktschuld im Raume steht. Während Kerem die Fragen zu diesem Thema u.a. mit eigenen Fragen "beantwortet" und der lästigen Pflicht offenbar genüge getan ist, entpuppt sich die weitere Unterhaltung mit dem für solcherlei Stories prädestinierten, weil einfühlsam vorgehenden Andreas Schulz als Reflektion über Spiritualität, Depression und deren soziale Konstruktionen als persönliche Hürden wie Triebfedern für Musik. Das Thema Depression und die heilende Kraft von (metallischer) Musik schimmert jedoch nicht nur in der Titelstory auf.


Auf dem vierten Platz des Soundchecks sind nämlich Wytch Hazel gelandet, deren Frontmann Colin Hendra bekennt, in "einem endlosen Zyklus von Überarbeitung und Burnout zu stecken". Im respektvollen Gespräch mit Manuel Trummer darf der offenherzige Musiker trotzdem die Frage beantworten, ob er "nicht darüber nachdenke, [den] Sound [der Band] weiterzuentwickeln, um den nächsten Schritt zu machen"? In der Tat, handelsübliches Promo-Geschwafel gibt es im DEAF FOREVER seltener zu lesen als andernorts, und es sollte auch den Musikern zu denken geben, wenn ein bekennender Fan wie Trummer sich und uns eingesteht, dass er angesichts wahrgenommener Stagnation – auf hohem Niveau – "jammert".
Nicht nur im Editorial wird betont, wie lesenswert die Aussagen der im Soundcheck abgeschlagenen Heaven Shall Burn, genauer gesagt von deren Gitarrist Maik Weichert, in unserer mit Herausforderungen gespickten Gegenwart sind. Kühnemunds nebenbei angedeuteter Umkehrschluss, dass jene, die dem im Interview formulierten, von Waffen getragenen "Pazifismus" nicht beipflichten, "hirntot" sind, skizziert eine Haltung, die eher spaltet als versöhnt. Unabhängig davon werden wohl nicht wenige Metal-Fans in den Aussagen von Weichert etwas finden können, was den eigenen Grübeleien und Erkenntniswegen nahekommt: "Dass es der menschlichen Natur offenbar am meisten entspricht, dadurch Frieden zu sichern, dass man dem anderen klarmacht, dass er auf die Fresse bekommen wird, wenn er einen angreift, dass das einzige Mittel, um Frieden zu sichern, zu sein scheint, der Rüstungsindustrie noch mehr Geld in den Rachen zu stopfen. Das ist ein Armutszeugnis für die Menschheit und lässt mich verzweifelt und wütend zurück." Vielleicht wäre es freundlicher, zu schreiben, dass, wer da nicht ein wenig mitfühlen kann, derweil ein kaltes Herz hat?


Doch nicht nur Deprimierendes kommt im Heaven-Shall-Burn-Interview zur Sprache. So betont Weichert gleich zu Beginn, wie überrascht und angetan er von der Organisationsfreude und -fähigkeit vieler junger Menschen heutzutage ist: "Kein Vergleich zu dem Dilettantismus, den wir früher an den Tag gelegt haben", so der Musiker, der sich auch zum Titel des neuen, bewusst "Heimat" genannten Albums ausführlich äußert und dabei nicht mit Kritik am eigenen Lager spart, in welchem er viele interne Streitigkeiten wahrnimmt, die angezettelt werden, um sich zu profilieren, während ein Begriff wie "Heimat" Leuten überlassen wird, die ihn Weichert zufolge "ständig missbrauchen". "Jeder sollte mal nachdenken, was Heimat für ihn persönlich bedeutet. (…) Für viele ist Heimat überhaupt kein Ort. Für die ist Heimat ihr Telefonbuch im Handy und die Leute, die sie anrufen können, wenn sie sie brauchen und mit denen sie zusammen Weihnachten feiern."

Michael J.J. Kogler beschreibt hingegen im Interview mit Andreas Schulz zum neuen Karg-Album sein Heimatgefühl als eher ortsgebunden: "Die Berge, in denen ich aufgewachsen bin, werden immer einen sehr großen Teil von dem Menschen einnehmen, der ich bin, und sind somit auch gewissermaßen identitätsstiftend." Dass er bei Karg heuer im heimischen Dialekt singt, fühlt sich für den österreichischen Musiker, der über den Rückzug in die Berge bereits einen packenden autobiographischen Roman geschrieben hat, insofern "authentischer und persönlicher" an. Der Einfluss von Lunar Auroras (kürzlich zum ersten Mal vollständig auf die Bühne gebrachten) Album "Hoagascht" wirkt hier bis heute nach.


Dass auch ein den Magazin-eigenen politischen Ansprüchen zuwider laufender unkritischer Tratsch eine Option ist, beweist Felix Patzig im überraschend "unpolitischen" Gespräch mit zwei Musikern der Black-Metal-Band Hersir, bei welchem er nicht nachfragt, warum sie ihre alles andere als originelle Musik anno 2025 mit Schlagworten wie "Holocaust" oder "Nacht der langen Messer" beschweren und was genau sie als Schweden unter "deutschem Paganismus" verstehen, dem sie sich laut Interview widmen. Dass der Redakteur seinem Nachnamen als Schreiber alle Ehre zu machen versteht, dokumentiert er in vorliegender Ausgabe mit seiner als Rezension kaum getarnten Zerstörung der neu aufgelegten Mystic-Circle-EP "Kriegsgötter": "Das ‚Circle Of The Tyrants‘-Intro wäre eine super Hustenbonbonwerbung – und damit der kulturell wertvollste Beitrag des gesamten Drehers."

Eine Fanzine-typische, mit Anekdoten aus Jahrzehnten gespickte Lesegeschichte hat Stefan Franke mit Sadistic Intent verwirklicht, und auch ohne aktuelle Album-Veröffentlichung dürfte diese Story von Anfang bis Ende selbst für jene Metal-Fans unterhaltsam sein, die mit der Band bislang kaum vertraut sind. Das liegt einerseits daran, dass Gitarrist Rick Cortez aus seinem Herzen keine Mördergrube macht, sowie an der Leidenschaft des Fragen stellenden Die-Hard-Fans, der ebenfalls kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es um Tonträger geht, die der Death-Metal-Institution nicht unbedingt zur Ehre gereichen. Nach der Lektüre war ich jedenfalls motiviert, mich endlich mal der Musik der Amis zu widmen – sehr viel besser kann ein Interview kaum wirken…?!


Über den Wert von Musiksammlungen lässt sich trefflich streiten. Niclas Green von Lord Belial berichtet im Gespräch mit Björn Thorsten Jaschinski, dass er einst selbst die LPs seiner eigenen Bands verhökert hatte, um sich Bier kaufen zu können. Einige Seiten weiter werden anhand von aus der Leserschaft eingesandten Fotos vermeintlich sehenswerte "Temples Of Steel" dokumentiert, die bei mir unversehens die Frage aufwerfen, wie sich die Abertausenden Tonträger eines nicht allzu fernen Tages möglichst Ressourcen schonend recyclen lassen. Immerhin: Wer sein Leben damit verbringt, solche Sammlungen einzurichten, der zettelt wohl keine Kriege an und findet offenbar auch so etwas wie "Heimat" im eigenen Museum. Ähnlich überflüssig finde ich die meisten im Review-Teil abgedruckten Promo-Fotos, die vor allem Platz für weitere Rezensionen rauben und nur in Ausnahmefällen einen ästhetischen Mehrwert bieten, denn für viele gilt: Kennste eins, kennste alle. Solche Bilder taugen vor allem zur Gestaltung von Interviews.

FAZIT: Es liegt in der Natur der Sache, dass sich an einem Metal-Magazin, das nicht ähnlich stromlinienförmig wie die am Kiosk ausliegende Konkurrenz funktioniert, sondern mit mehr Ecken und Kanten daherkommt, genau dieses Profil kritisieren lässt. Eine Fanzine-ähnliche Qualität kann dem DEAF FOREVER dennoch kaum abgesprochen werden, wie auch die 65. Ausgabe mit einer unterhaltsamen inhaltlichen Tiefe und Breite beweist, die mich zuweilen an das legendäre Underground Empire erinnert, und in der sich selbst für die Freaks so einige ungeahnte Entdeckungen machen lassen.

Thor Joakimsson (Info) (Review 148x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • Imha Tarikat
  • Sodom
  • Heaven Shall Burn
  • Gruesome
  • Sadistic Intent
  • u.v.m.

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
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