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Colin Steele Quartet: The Blue Nile - Jazz Interpretations Of The Blue Nile Songbook (Review)

Artist:

Colin Steele Quartet

Colin Steele Quartet: The Blue Nile - Jazz Interpretations Of The Blue Nile Songbook
Album:

The Blue Nile - Jazz Interpretations Of The Blue Nile Songbook

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Jazz, Sophisticated Pop, Pop-Jazz

Label: Marina Records
Spieldauer: 55:29 (CD) / 43:56 (LP)
Erschienen: 20.06.2025
Website: [Link]

Ein renommierter Jazz-Trompeter spielt Songs einer seit 20 Jahren nicht mehr aktiven Pop-Band. Da schlägt die Jazz-Polizei natürlich sogleich Alarm, für strenge Puristen ist das per se ein "Mischmasch" zum Weglaufen. Bitte sehr, lasst Euch nicht aufhalten. Und wir wenden uns nun in Ruhe einer Platte zu, die mit der Floskel "best of both worlds" ganz gut beschrieben ist. Denn so werden bekanntlich magische, kreativ funkensprühende Zusammentreffen stilistisch weit auseinander liegender Musiker oder Musikgenres beschrieben. 

Das Beste aus beiden Welten - oft bleibt davon, bei Lichte oder mit etwas Abstand besehen, nicht viel mehr übrig als ein "Ganz nett, aber nicht nötig". Beim neuen Album des schottischen Trompeters COLIN STEELE und seiner drei Begleiter, veröffentlicht vom tollen Hamburger Auskenner-Label Marina, ist das anders.


Hier ist Genie am Werk, wenn vier Koryphäen des britischen Jazz Lieder des legendären Glasgower Sophisticated-Artpop-Trios The Blue Nile und ihres Frontmannes Paul Buchanan in ein anderes Genre, ja in neue Sphären überführen. Wenn STEELE, Dave Milligan (Piano), Calum Gourlay (Standbass) und Alyn Cosker (Schlagzeig) diese atmosphärischen, elegischen Meisterwerke der Eighties-Pop-Songkunst anfassen, ob live oder im Studio, dann schillern die Stücke 20 bis 40 Jahre nach der Erstveröffentlichung erneut in den schönsten Farben und den melancholischsten Mitternachts-Moods.

"Jazz Interpretations Of The Blue Nile Songbook", der Untertitel dieser auch optisch (das Cover-Artwork, besonders beim Vinyl!) äußerst ansprechenden Platte, trifft es ziemlich gut. Ohnehin schon perfekte Kompositionen werden vom COLIN STEELE QUARTET nicht mit wilden Improvisationen auseinandergerupft und dann notdürftig wieder zusammengeflickt (was für solche Jazz-Virtuosen auch möglich gewesen wäre). 

Nein, diese "Interpretationen" sind so zärtlich, respektvoll und doch künstlerisch unendlich inspiriert angelegt, dass ganz viele Hörer "of both worlds" andocken können, wenn vier brillante Jazzer eine Pop-Band feiern. Zum Niederknien schön ist das, von "Easter Parade" bis "Let's Go Out Tonight". Und auch traurig, nicht nur wegen dieser zu Herzen gehenden Melodien, sondern auch weil es The Blue Nile wohl nicht mehr gibt (kleines Fragezeichen...).


Wer COLIN STEELE, den 57 Jahre alten Trompeter aus Edinburgh, ein wenig kennt, wundert sich über so viel Crossover-Feingefühl natürlich gar nicht. Schon in den 80ern hatte er, quasi als in etwa gleichaltriger Zeitgenosse der 1981 gegründeten The Blue Nile, für das smarte Soul-Pop-Brüderpaar Hue And Cry gespielt. Nach diversen ehrenvollen Stationen, unter anderem an der Seite von Iain Ballamy, Ronny Jordan und Tom Bancroft, machte STEELE sich selbstständig, um fortan als Jazz-Bandchef zu reüssieren - aber weiterhin mit einem Faible für anspruchsvolle Popmusik.

Davon zeugen "Diving For Pearls" (2017), die Verbeugung des COLIN STEELE QUARTET vor der wunderbaren Musik von David Scotts Edel-Pop-Projekt The Pearlfishers (deren jüngstes Marina-Album "Making Tapes For Girls" hier vor einem Jahr ausführlich vorgestellt wurde), und "Joni" (2020), eine hochsensible Jazz-Hommage an die kanadische Singer-Songwriter-Ikone Joni Mitchell. Nun also nimmt sich STEELE The Blue Nile vor - eine enigmatische Synth-Pop-Band, die einige der wichtigsten britischen Platten der 80er und 90er verantwortete.


Das Debüt "A Walk Across The Rooftops" (1984) und vor allem der Nachfolger "Hats" (1989) gelten vielen Kennern sogar als zwei der besten schottischen Alben aller Zeiten. Aus diesen Meisterwerken, aber auch aus den später erschienenen "Peace At Last" (1996) und "High" (2004), transferieren STEELE und seine drei Mitmusiker insgesamt neun Stücke, ein weiteres stammt aus Buchanans gefeiertem Soloalbum "Mid Air" von 2012 (Die Vinyl-Ausgabe enthält, um es bei einer Scheibe belassen zu können, statt der zehn CD-Titel nur acht Tracks, es fehlen "Headlights On The Parade" und "Happiness".) 

Die zumeist gestopfte Trompete von COLIN STEELE ersetzt Buchanans schwermütige Vocals in prachtvollen Originalen wie "Easter Parade", "Family Life" oder "Let's Go Out Tonight" nun grandios. Wieder einmal rechtfertigt dieser feine Musiker und Komponist seinen Ruf als Stilist  ("Der Spiegel" schrieb einmal: "Als wenn Miles Davis ein Schotte gewesen wäre..."). Tatsächlich muss man bei diesem besonderen, intensiven Ton an Davis' Interpretationen von George und Ira Gershwins "Porgy And Bess" denken, aber auch an Chet Bakers Entnahmen aus dem "Great American Songbook". 

Die meisten der zehn "Interpretations" sind tief zu Herzen gehende Balladen, nur zwei, drei Mal (etwa in "Body And Soul" und "Happiness") schaltet das Quartett in ein höheres Tempo. Stets spürbar ist die große Verehrung der vier Jazzer für den The-Blue-Nile-Pop. "Ich bin ein riesiger Fan", sagt STEELE. "Ich liebe die Melodien und ihre Songs, aber ich liebe ganz besonders die Gesamtatmosphäre, die sie erschaffen haben." Und Buchanans Gesang, der ihn selbst an Miles Davis' Trompeten-Sound erinnere (aha!), sei so "unangestrengt und cool, aber jede Nuance voller Schönheit und mit so viel Emotion".


Wer nun denkt, dass diese Platte vor allem ein Ding für romantische Nostalgiker und Jazz-Traditionalisten und damit ein bisschen gestrig ist - bitte nicht täuschen lassen. Denn The Blue Nile wurden, abgesehen von regelmäßigen Einträgen in die "ewigen" Albumbestenlisten von Kritikern, ja erst kürzlich wieder auf ein großes Pop-Podest gehoben: Taylor Swift erwies der schottischen Band 2024 die Ehre im Song "Guilty As Sin" mit diesen Lyrics: "Drowning in The Blue Nile/he sent me 'Downtown Lights'". Und natürlich findet sich "The Downtown Lights" (vom Mega-Album "Hats") jetzt auch auf der vorzüglichen Hommage des COLIN STEELE QUARTET

FAZIT: Das neue Band-Album von COLIN STEELE ist ein Meisterstück des atmosphärischen Mitternachts-Jazz. Nennt es meinetwegen Crossover (aber bitte im positiven Sinne). Doch wenn nicht nur durch Taylor Swifts Einlassung zu "The Downtown Lights", sondern auch durch diese herrlichen "Jazz Interpretations" der fabelhafte Sophisticated Pop von The Blue Nile (wieder)entdeckt wird, dann hat der Meistertrompeter aus Edinburgh mit seinem famosen Quartett viel Gutes erreicht. Mein Jazz-Album des Jahres steht damit wohl schon im Juni fest.

Werner Herpell (Info) (Review 168x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
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Tracklist:
  • CD: (55:29):
  • Easter Parade
  • Heatwave
  • Family Life
  • Body And Soul
  • Mid Air
  • Headlights On The Parade
  • Because Of Toledo
  • The Downtown Lights
  • Let's Go Out Tonight
  • Happiness
  • LP: (43:56):
  • Seite A:
  • Easter Parade
  • Heatwave
  • Family Life
  • Body And Soul
  • Seite B:
  • Mid Air
  • Because Of Toledo
  • The Downtown Lights
  • Let's Go Out Tonight

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